

1816 entsteht die Preußische Provinz Sachsen mit der Hauptstadt Magdeburg. Fienstedt gehört zum Regierungsbezirk Merseburg, Seekreis Mansfeld.
CHOLERA


Eine Cholera-Epedemie fordert in der Stadt Halle und den umliegenden Dörfer unzählige Todesopfer. In Fienstedt wird ein Achtel der Einwohnerzahl durch den schnellen Tod hingerafft.


Der Turm und das Dach der Kirche werden neu gedeckt. Festliche Schmückung des Turmes und Gottesdienst mit dreifachem Gelübde:
In allen Gott die Ehre zu geben, auf seinen Willen zu sehen und danach zu tun.
In Liebe, Freiden und Einigkeit unter einander zu leben.
Neues Wohlgefallen an unserem Gotteshause zu haben und zu gewinnen.
ANSPÄNNER:
01. Friedrich BOLTZE, 02. August BOLTZE, 03. Leberecht MÄNNICKE (Windmüller), 04. Carl ZORN,
05. Gottfried REUßNER, 06. Christian BOLTZE, 07. Ferdinand BOLTZE, 08. Friedrich HEMPEL,
09. Gottlob BOERL, 10. Simon BOLTZE, 11. Andreas BEDAU
KOSSATEN:
01. Andreas MEISE, 02. Gotthold BRANDT, 03. Wilhelm VOGEL, 04. Witwe WINTER,
05. Christian BRANDT, 06. August HECKLAU, 07. Christian HÄDECKE, 08. Christian KLEEMANN,
09. Gottfried HÖPFNER, 10. Christian Rusch (Rausch?), 11. Christian SIEB, 12. Witwe KOELBEL,
13. Christian KIEßLER, 14. Carl ENGLER
HÄUSLER:
01. Andreas LAUCH, 02. Friedrich HAEDECKE, 03. Christian FUNKE
DORFSCHULZE: Friedrich BOLTZE (1796–1896)
PFARRER (seit 25. April 1830-1860): Johann Gottlieb HUCH (1792–1874)
KIRCHENVORSTEHER: Friedrich HEMPEL
SCHULLEHRER (seit 31. August 1828): Friedrich Wilhelm HEDLER (1795–)
[Kgl. Landrat: Herr von Wenthenbrock zu Helmsdorf]


Aufn. 1852. - 1:25000. - [Berlin]: Reichsamt für Landesaufnahme, 1872.
Der Aufschwung in der Landwirtschaft, vorallem durch den lukrativen Zuckerrübenanbau, geht auch in Fienstedt nicht spurlos vorbei. Um 1850 begint mit der Einführung des Wanzleber Pflugs (Tiefkulturpflug) und der Drillmaschine die Mechanisierung des Zuckerrübenanbaus. (vgl. auch Johann Gottfried BOLTZEs Revolutionierungen im Zuckerrübenanbau in der Mitte des 19. Jh.: „Salzmünder Tiefkultur").
Wie in der gesamten Region werden die alte dörflichen Siedlungsstrukturen überformt. In Fienstedt steigt die Einwohnerzahl, die aber durch die beiden Cholera-Epidemien jeweils gebremst wurden (1831: 303 – 1852: 383 – 1890: 424). Die alten Höfe werden erweitert, die Herrenhäuser umgebaut, große Scheunen hinzugefügt. Häuser für angestellte Landarbeiter entstehen, auch kleine Höfe der Kossaten bzw. Häusler


Der Kirchturm wird mit neuem Schiefer eingedeckt und die Turmuhr erneuert.
Der Grundbesitz ist in den letzten 50 Jahre deutlich im Wert gestiegen. Ein guter Morgen Acker kostet zwischen 175 und 200 Talern. In der Gegend entstehen verschiedene Fabriken.
Fienstedt besteht aus 54 Häusern. Die Einwohnerzahl beträgt 421.
ANSPÄNNER:
01. Friedich BOLTZE, 02. August BOLTZE, 03. Friedrich EMICKE, 04. Ch. August BOLTZE,
05. Ferdinand BOLTZE, 06. Albert HEMPEL, 07. Gustav REUßNER, 08. Friedrich BEDAU.
KOSSATEN
01. Karl BRAUNS (Gastwirt und Schmiedemeister), 02. Christian KLEEMANN, 03. Friedrich ENGLER,
04. Christian MEISE, 05. August SIEBECKE (Windmüllermeister), 06. Christian HAEDECKE,
07. Wilhelm HÖPFNER, 08. Karl KOELBEL (Stellmachermeister), 09. Gottlob SIEB,
10. Christian HAUSHERR.
HÄUSLER:
01. Friedrich FUNKE, 02. Friedrich LANGHAMMER, 03. Wilhelm STELZER, 04. August LITZENBERG (Fleischermeister), 05. August HÄDICKE (Chirurg-Gehilfe), 06. Friedrich HÄDICKE (Tischlermeister), 07. Albert STOEPEL (Schmiedemeister), 08. Karl GRUNEWALD (Hutmann),
09. Friedrich SCHÖLLER, 10. EHRTs Witwe, 11. Christian BALLSCHUH.
Die übrigen Wohnungen sind Drescher-Häuser, die den Anspännern gehören.
DORFSCHULZE: Albert HEMPEL
PFARRER (1860-1865): Carl Eduard WALTER (1805-1885)
SCHÖPPE: August BOLTZE, Friedrich EMICKE
KIRCHENVORSTEHER: Ch. August BOLTZE
SCHULLEHRER (seit 31. August 1828): Friedrich Wilhelm HEDLER (1795–)
Cholera


Mitte August bis Ende Oktober 1866 wütet in Fienstedt, wie in fast ganz Deutschland die Cholera. In kurzer Zeit sterben über 30 Personen. Es gibt große Schwierigkeiten bei der Bestattung der Toten. Sie werden ca. 50m abseits des ehemaligen Friedhofes an der Kirche auf einer Wiese am Weg nach Gödewitz bestattet.
Dorfschule


Neben der Kirche wird das neue Gebäude für die Schule errichtet.
Die Gutsbesitzer Zorn und Boltze spenden der Kirche 1 Paar Altarleuchter nebst Wachslichter.
Der neue Friedhof


Nach Choleraepidemie und Bevölkerungswachstum ist der Kirchhof um die Kirche als Begräbnisstätte zu klein. Auf Ackerland von Gutsbesitzer BEDAU entsteht der neue Friedhof.
St. Stephanus


Die Kirche erhält eine Turmuhr. Sie stammt von der 1836 bis 1966 bestehenden Turmuhrenfabrik und Glockengießerei J. F. WEULE (1811–1897) in Bockenem im Ambergau.
Fienstedt am Eisenbahnnetz


Am 22. Mai 1896 nimmt die Halle-Hettstedter-Eisenbahn (HHE) ihren Betrieb auf, sie verkehrt bis in die sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts.
Schwärzester Tag der HHE: am 07. April 1922 kommt es zu einem bewaffneten Raubüberfall mit vier Toten. Kurz nach dem Anstieg nach Fienstedt erschießt ein auf den dort langsam fahrenden Zug aufgesprungener Mann u.a. Elisabeth NETTE (65), die Frau des Rittergutsbesitzers Kurt NETTE aus Schwittersdorf, einem Mitinitiators der Eisenbahnstrecke.
Ackerbesitz in der Gemeinde Fienstedt


92 ha WILHELM BEDAU (1856-1937)
52 ha KURT BOLTZE (1873–1933)
83 ha Carl Friedrich AUGUST BOLTZE (1844–1903) | Adolph FRIEDRICH AUGUST BOLTZE (1873–1936)
90 ha verw. BERTHA BOLTZE geb. Peters (1846–1922) > CARL August EMIL BOLTZE (1840-1892)
114 ha Frl. LOUISE BOLTZE (1844–1918)
79 ha GUSTAV REUSSNERs (1831–1901) Erben
88 ha KARL ZORN
alle haben Anteile an der Zuckerfabrik Trebitz


Aufn. 1902, hrsg. 1904, gedr. [19]12. - 1:25000. - [Berlin]: Reichsamt für Landesaufnahme, 1912.
kirchensanierung


„Die freundliche kleine Kirche mit eigenartiger derber Stuckierung, welche namentlich an den Brüstungen der zweigeschossigen Emporen bemerkenswert ist, wurde unter Leitung des Regierungsbaumeisters a.D. Facilides einer Instandsetzung unterzogen. Die von der Gemeinde angeregte Beseitigung der oberen Emporenreihe konnte nicht zugestanden werden.“
VEREINE


Gegründet werden ein Arbeiterturnverein, ein Radfahrerverein und ein Samariterverein.
Aktive Turner sind u.a.
Otto MERTENS,
Franz MERTENS,
Wilhelm PECHSTEIN,
Friedrich PÖTZSCH (auch aktiver Radfahrer, er ist gleichzeitig der Fahnenträger des Arbeiterturnvereins. Er verwahrt auch die Vereinsfahne in der NS-Zeit.
Weitere Turner sind Gesellen beim Schuhmacher DÖNAU und einige Arbeiter von der im Ort bestehenden Bauernwirtschaften.
Die Mitgliederzahl beträgt 30 Mitglieder. Otto MERTENS ist als Vorturner ausgebildet und ist auch Ausbilder. Geräteturnen wird stets im Saal der Gaststätte. „Zum Deutschen Haus“ durchgeführt.
[Quelle: Chronik Sonnabend]


Max Hoelz und die Märzkämpfe


Ende März 1921 während der Märzkämpfe in Mitteldeutschland taucht Max HOELZ (1889-1933) auch im Mansfelder Land auf.
Zeuge der letzten Schlacht von Hoelzs Truppe bei Beesenstedt am 01. April wird der damalige Fienstedter Pfarrer Kurt THIEMANN (1863-1945). Auf den letzten Seiten des damaligen Taufbuches führt er Tagebuch und so findet man am 01. April 1921 u.a. folgende Eintragungen: „... Der Bahnhof in Beesenstedt war in die Luft gesprengt. Die Gutsbesitzer Bedau, Boltze, Zorn haben sich heute früh nach Halle in Sicherheit gebracht. [...] Um 2 Uhr (entwickelt) sich ein Gefecht, das wir z.T. vom Kirchturm aus beobachten konnten. Die Kommunisten hatten sich auf Johannashall eingenistet, die nun beschossen wurden.“
NS-Zeit


In Fienstedt besteht eine Ortsgruppe der NSDAP. Ortsgruppenleiter ist Schulleiter Paul PHILIPP. Ca. 20 Miglieder hat die Partei im Dorf, darunter die Großbauern Hans BOLTZE, Alfred JAHN, August BOLTZE, Wilhelm BEDAU, sowie die Mittelbauern Erich KOCH (Bürgermeister), Richard KÖLBEL (Ortsbauernführer) und Schuhmachermeister Rudolf DÖNAU (Landwachtpostenführer) und Schäfermeister Friedrich WEISSENBORN.
1933 soll der bestehende Arbeiterverein geschlossen der NSDAP beitreten. Da man sich dieser Aufforderung nicht folgt, wird dieser verboten. Arbeiterturnverein und alle anderen Gruppen lösen sich auf. Auf ständigen Druck der NSDAP gibt es aus auch diesen Reihen vereinzelte Parteieintritte.
Bei öffentlchen Versammlungen auf dem Dorfplatz spricht auch des öfteren der Kreisleiter der NSDAP Ludolf von ALVENSLEBEN (1901–1970) aus Schochwitz. Die in seinem Beisein gesetzten Hitler- und Hindenburg-Eichen links und rechts des Kriegerdenkmals werden 1946 entfernt.
Den Verlust an Arbeitskräften durch Einziehungen zur Wehrmacht soll mit Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen bei den Großbauern ausgeglichen werden.
[Quelle: Chronik Sonnabend]


Hrsg. 1904, bericht. 1926. - 1:25000. - [Berlin]: Reichsamt für Landesaufnahme, 1936.
Bauernwirtschaften


August BOLTZE (ab 1932 WENTZEL, sog. Erbhof)
über 90 ha Acker
1 Traktor
10 Pferde, 10 Ochsen, 35 Rinder, 10 Schweine, 120 Schafe
ca. 25 Landarbeiter, sowie Fremdarbeiter und Kriegsgefangen
Hans BOLTZE
68 ha Acker
1 Traktor
6 Pferde, 2 Ochsen, 26 Rinder, 24 Schweine
ca. 25 Landarbeiter, sowie einige Fremdarbeiter
Wilhelm BEDAU
92 ha Acker (zzgl. 114 ha Acker ehem. MICHELMANN)
insgesamt:
2 Traktoren
18 Pferde, 6 Ochsen, 42 Rinder, 20 Schweine, 150 Schafe
ca. 35 Landarbeiter und einige Fremdarbeiter und Kriegsgefangene
Alfred JAHN mit der Wirtschaft GÜNTHER
98 ha Acker
1 Traktor
8 Pferde, 20 Rinder, 40 Schweine, 120 Schafe
ca. 25 Landarbeiter, sowie einge Fremdarbeiter
Max ZORN (stirbt 1924 – an WENTZEL verpachtet)
ca. 86 ha Acker
Werner HOLTER / Alma MICHAELIS
ca. 23 ha Acker
4 Pferde, 16 Rinder, 20 Schweine
ca. 10 Landarbeiter in der Saison
Hugo KLEEMANN
ca. 17 ha Acker
2 Pferde, 2 Ochsen, 8 Rinder, 10 Schweine
ca. 9 Landarbeiter in der Saison
Richard KÖLBEL
16 ha Acker
2 Pferde, 1 Ochse, 12 Rinder, 8 Schweine
ca. 8 Landarbeiter in der Saison
Erich KOCH
15 ha Acker
2 Pferde, 2 Ochsen, 12 Rinder, 5 Schweine
ca. 8 Landarbeiter in der Saison
[Quelle: Chronik Sonnabend, korr.: ha-Angaben bei BEDAU]